Machtfrage Change


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Im Buch „MACHTFRAGE Change“ stellen die Autoren Torsten Oltmanns und Daniel Nemeyer die neue Generation des Change Managements zur Diskussion.

Erwartungen

Wenn ich einen Buchtitel lese, verbinde ich damit immer Erwartungen und stelle mir dann vor, was der Inhalt sein könnte. Bei diesem Buch hat mich vor allem der Satz auf dem Deckblatt neugierig gemacht: „Warum Veränderungsprojekte meist auf Führungsebene scheitern und (besonders) wie Sie es besser machen“. Aus Sicht einer Führungskraft oder auch eines Change Agents wird man sofort neugierig auf ein mögliches Rezeptbuch. Aber auch betroffene Mitarbeiter oder Betriebsräte könnten es spannend finden, zu erfahren, was die Machtspiele in Change Projekten sind, und ob sie dort als Mitspieler oder Gegner agieren können oder müssen.

Wenn der Titel reizt, lese ich die kostenlose Leseprobe meist intensiver. Inhalt dieser Leseprobe ist das erste Kapitel des Buches: Der Fall Klinsmann: Trotz Erfolg gescheitert. Spätestens jetzt, aus schwäbischer Verbundenheit – Jürgen Klinsmann ist nur wenige Kilometer von hier aufgewachsen – interessiert mich dieses Buch und ich hoffe, dass sich meine Erwartungen erfüllen.

Was sind diese? Ich erwarte kein Rezeptbuch von Autoren von Roland Berger.

  • Ich erwarte aber einige Lessons Learnt zu Change Management aus der langjährigen Praxis von Change Projekten der Autoren.
  • Des Weiteren interessieren mich auch wissenschaftlich-theoretische Fakten und Hintergründe in diesem Zusammenhang.
  • Als dritten und wichtigsten Punkt erwarte ich einen praktischen Nutzen aus Hinweisen für die eigene Umsetzung, Schlussfolgerungen oder Ableitungen von Bewertungen, Tipps von Fallbeispielen, Vorgehensweisen und Empfehlungen aus den Erfahrungen von Roland Berger mit Change Projekten.

Die Leseprobe lässt noch offen, ob Jürgen Klinsmann, wie er selbst sagt, zu wenig Macht hatte oder ob er diese nur nicht richtig eingesetzt hat. Das Buch verspricht mir, zu erfahren, wie ich Macht aufbauen kann, um Veränderungen dauerhaft zu verankern. Mit dieser Hoffnung lese ich das Buch.

Die aktuelle Bedeutung des Themas

Das Buch „MACHTFRAGE Change“ soll nachdenklich machen zur Frage, wie Führungskräfte Macht vernünftig und zum Wohle ihrer Unternehmen einsetzen können. Angesichts der Herausforderungen der Unternehmen, die ihnen im Zuge der Globalisierung und des Nachkrisenmanagements noch bevorstehen, sicher ein sinnvolles und hilfreiches Nachdenken, wenngleich die Ernsthaftigkeit in vielen Unternehmen aktuell etwas angezweifelt werden muss. Die Hypothese des Buches ist, dass notwendige Veränderungen meist nicht in der Fläche scheitern, also durch den Widerstand der Mitarbeiter, sondern an Konflikten in der Spitze. Die Betriebswirtschaft bietet hier derzeit noch keine Ansätze und Lösungen.

Für wie viel Prozent von diesen 80% Scheitern aller Change Management Vorhaben das Top-Management verantwortlich ist, wurde nicht gesagt, dennoch können verlustreiche Veränderungsprozesse aufgrund von Managementempfindlichkeiten in der Zukunft sicher nicht hingenommen werden. Die Wettbewerbssituationen werden schärfer und die Veränderungen werden komplexer. Konflikte auf oberster Ebene können schnell zur Insolvenz führen.

Das Buch beantwortet, warum Change Management zur Daueraufgabe werden wird, mit welchen Herausforderungen die Unternehmen zu tun haben werden, warum althergebrachte Planungsmethoden in den Schredder gehören und warum Change Projekte bislang in so hohem Maße gescheitert sind. Die Autoren zeigen auf, wie sich im letzten Jahrzehnt Change Projekte verändert haben und warum die Machtfrage heute eine viel größere Rolle spielt als damals, die Methoden und Instrumente der Betriebswirtschaft sich demnach auch anpassen müssen. Dennoch ist das Thema nicht ganz neu. Bereits 1986 hat sich John Kotter über die Macht im Management auseinandergesetzt und zehn Jahre später daraus acht Schritte für das Change Management beschrieben, die heute in vielen Organisationen (erfolgreich) eingesetzt werden.

Kommunikation spielt eine entscheidende Rolle

Die Kommunikation spielt für die Umsetzung von Change Management Vorhaben eine entscheidende Rolle und zwar nicht nur vertikal, wie in den meisten Modellen des Change Managements beschrieben, sondern auch horizontal bzw. vernetzt. Nicht verwunderlich aber dennoch interessant aus meiner Sicht ist die Bestätigung der Hypthese, dass die Nutzung von Informationsmedien und die Art der Kommunikationskanäle Aufschluss geben über die Machtnutzung von Führungskräften. Den Satz auf Seite 202 „Kommunikation ist Notwendigkeit und Erfolgsrezept zugleich“ möchte ich ausdrücklich unterstreichen.

Die im Buch vorgestellten Change Management Modelle aus der Wissenschaft und Beratungspraxis für Vorgehen, Instrumente und Maßnahmen tragen aber leider neuen innovativen Formen der Kommunikation noch wenig Rechnung. Hier hätte ich gerne eine Brücke zu den Ergebnissen unserer aktuellen Change Management Studie geschlagen.

Macht als Hebel für Veränderungen

Die relevante Frage wird auf Seite 152 gestellt: Wie lassen sich Führungskräfte eines Unternehmens daran hindern, ihre Durchsetzungsfähigkeit in einer Umbruchsituation ausschließlich im eigenen Interesse einzusetzen?

In diesem Kapitel stellen sich die Autoren die Frage nach einer Neudefinition der Macht. Die Macht, um die es hier (im positiven Sinne) geht, ist die Macht der richtigen Information und Kommunikation zur richtigen Zeit. Diese alleine den Führungskräften zuzusprechen, ist etwas zu kurz gegriffen. Die neuen Möglichkeiten im Bereich der Informationstechnologie und damit verbundene Veränderungen im Kommunikationsverhalten vieler Mitarbeiter werden auch Machtstrukturen in Unternehmen verändern. Macht entsteht nicht nur qua Führungsrolle sondern durch Fähigkeiten, soziale Strukturen und Netzwerke nutzen zu können, die nicht nur Führungskräften vorbehalten sind. Die Macht von Experten, Fachkräften und Communities sollte nicht zu gering eingeschätzt werden, Veränderungsprozesse beeinflussen und mit steuern zu können. Führungskräfte, die zu sehr damit beschäftigt sind, ihre Positionen zu verteidigen, werden dann möglicherweise von anderen Mächten überrollt.

Change richtig machen

Ergänzend zu den Ansätzen eines traditionellen Change Managements empfehlen die Autoren im für mich entscheidenden Kapitel ein neues Vorgehensmodell. Durch eine Kombination aus Methoden der Konfliktidentifikation, für Beziehungsstrukturen und des Risikomanagements sollen Machtkonflikte auf Führungsebene steuerbar und der Change beherrschbar bleiben.

Was zunächst klingt wie neuer Wein in alten Schläuchen, nämlich Methoden des strategischen Managements einzusetzen, erstaunt aber auf den zweiten Blick. Eigentlich müsste man bei derartigen Veränderungsprojekten wie Unilever, Daimler, Porsche, Commerzbank, die im Buch beschrieben werden, davon ausgehen können, dass dieses methodische Handwerkszeug dort zum Einsatz kam. Als umfassender Ansatz eines Change Managements, insbesondere bei strukturellen Veränderungsprojekten, ist der von den Autoren empfohlene Methodeneinsatz auf jeden Fall zu unterstützen.

Resume

Es geht in diesem Buch um die Macht von Führungskräften und diese positiv nutzbar zu machen. Andere Machtfaktoren im Unternehmen sind in diesem Buch ausgeblendet worden, wären aber sicher ebenfalls relevant für die Nutzbarmachung. Auch wenn Mitarbeiter im Wandel heute viel weniger als früher eine Gegenmacht aufbauen, so darf man diese nicht unterschätzen. Neben der formalen Macht der Führung gibt es weitere Machtquellen einer Organisation, die z.B. auf Fachwissen, Spezialisierung, Beziehungen, Information und Kommunikation beruhen.

Wissenschafts-theoretische Hintergründe des Managements von Organisationen sowie sozialwissenschaftliche Diskussionen wurden sehr ausführlich und gut aufgezeigt und beschrieben. Für wirtschaftswissenschaftlich Interessierte sehr empfehlenswert, mir persönlich hätte etwas weniger Grundlagenvorlesung der Betriebswirtschaft gereicht und dafür etwas mehr konkretes Vorgehen z.B. anhand eines Praxisberichtes. Das Beispiel Bundeswehr, das an vielen Stellen als erfolgreicher Veränderungsprozess dargestellt wird, mag sicher in der Sache stimmen, reicht mir persönlich aber nicht. Die Bundeswehr – mit einem Etat und Nicht-Umsatz oder Gewinn – wird kaum ein Autobauer, Finanzdienstleister und noch weniger ein Mittelständler als Vorbild akzeptieren.

Meine Erwartungen vom Anfang sind zwar nicht zu hundert Prozent, aber zu dreiviertel erfüllt worden. Nicht nur ein Buch für Führungskräfte, die im Sinne des Unternehmens handeln wollen. Auch Mitarbeiter auf mittleren und unteren Hierarchieebenen, Betriebsräte sollten sich die Frage stellen, was sie tun können, um zweifelhafte Machtspiele, die zu ungunsten des Unternehmens ausgehen können, schon im Ansatz aufzudecken, im Unternehmen öffentlich zu machen und zur Diskussion zu stellen. Das Buch ist keine Gebrauchsanleitung aber zeigt auf, wie und warum es zu solchen Entwicklungen kommen kann und welche Strategien möglich sind und damit lesenswert.

Leseprobe-MACHTFRAGE_Change

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